Einmal Klima-Katastrophe und zurück
Das Tier ist riesig, mehr als doppelt so groß wie die davorstehenden fünf Menschen. Sein Hals ist außergewöhnlich lang, der Körper im Vergleich dazu eher klein, die Beine lang und schlank, der Kopf schmal und mit zwei Auswüchsen versehen, die Hörnern ähneln, aber mit Haut und Fell bedeckt sind. Körper und Hals sind mit vieleckigen Flecken gespickt, mit ihrem dunklen Braun bilden sie auf dem hellbeigen Fell ein markantes Muster. Was ist das für ein Tier? Das fragen sich Cherry (Jessamine-Bliss Bell), Ben (Noah Saavedra) und Fini (Paul G. Raymond), die im Jahr 2054 beim Kauf einer alten Schallplatte – sinnigerweise „Pet Sounds“ von den Beach Boys – auf ein Foto der Band stoßen, die vor einer Giraffe posieren. Das Bild, aufgenommen 1966 im Zoo von San Diego, fasziniert die drei jungen Leute, die fast hundert Jahre später leben. Denn ein solches Tier haben sie noch nie gesehen.
Es ist die Schlüsselszene des Films „Everything will Change“ (Deutschland/Niederlande, 2021), der im Luxor-Filmpalast im Rahmen der „Fairen Woche“ gezeigt wird, die von 12. bis 26. September unter dem Motto „Fair handeln – Vielfalt erleben!“ bundesweit stattfindet. Thomas Bensch, der Sprecher der Walldorfer Fairtrade-Steuerungsgruppe, freut sich, im Kinosaal rund fünfzig interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer begrüßen zu können. Er macht neugierig auf den Film und wirbt für die vielfältigen Veranstaltungen, die im Rahmen der „Fairen Woche“ in der Astorstadt über die Bühne gehen. Als Appetitanreger wandert ein Korb mit fairer Schokolade und Teebeuteln durch die Reihen, aus dem sich alle bedienen dürfen, ehe es mit großen Schritten aus der Gegenwart in die Zukunft (und später wieder zurück) geht.
Der Berliner Regisseur Marten Persiel und seine Co-Autorin Aisha Prigann wählen für ihr Klima-Drama eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm, die mit einer dritten Ebene kombiniert werden, auf der eine Art Märchenerzählerin (Jacqueline Chan) die Geschichte aus einem Buch vorliest. Dieser Kniff mag einerseits alles rechtfertigen, was dem Zuschauer nicht realistisch erscheinen mag oder es nicht ist, eine Zeitreise mit dem aus „Zurück in die Zukunft“ entlehnten Fluxkompensator inbegriffen. Leider relativiert er aber auch die Eindrücklichkeit der vor allem aus echten Tierdokumentationen sowie Interviews mit gleichfalls realen Wissenschaftlern und Aktivisten stammenden Bilder und der präsentierten Fakten, indem er der eigentlich dramatisch vor Augen geführten Entwicklung durch seinen märchenhaften Ton eine gewisse Beliebigkeit beimischt.
Dafür funktionieren die beiden anderen Ebenen des Films, der auf verschiedenen Festivals Auszeichnungen und Nominierungen sammeln konnte, umso besser. Fiktive Schlagzeilen zeichnen die Klima-Katastrophe von 2022 bis 2054 nach, die zum Aussterben zahlreicher Tierarten und vielen anderen Veränderungen auf der Erde geführt hat. In der Welt der drei Hauptpersonen spielt sich viel am Computer ab, fortschrittliche Technologie prägt ihren Alltag, sie geben sich betont cool, wirken aber sehr naiv. Als sie von einem Ladenbesitzer nach dem Schallplattenkauf mit alten Videokassetten versorgt werden, sind sie fasziniert von den bewegten Bildern, die ihnen Tiere zeigen, von denen sie noch nie etwas gehört haben – eine Stelle im Film, an der die Glaubwürdigkeit der Handlung stark strapaziert wird, ist der Zeitraum von wenig mehr als dreißig Jahren doch deutlich zu kurz, um wirklich so viel in Vergessenheit geraten zu lassen, während Antiquitäten wie Schallplatten und ein alter Mercedes noch fröhlich benutzt werden. Andererseits haben „fake news“ in dieser Zukunft Hochkonjunktur, sodass Cherry, Ben und Fini grundsätzlich jedem Bild und jeder Nachricht mit Misstrauen begegnen.
Fini und Ben machen sich dann auch auf eine abenteuerliche Suche, stoßen auf ein Institut, in dem viel Wissen und Tierpräparate gelagert sind, und beschließen gemeinsam mit Cherry, dass sie darüber die Öffentlichkeit informieren müssen. Ein Ansinnen, das scheitert, weil die von ihnen gehackte Event-Show in Windeseile ihr Millionenpublikum verliert, sobald unliebsame Fakten statt bunter Unterhaltung gezeigt werden. Finaler (und gelungener) Wendepunkt ist dann die Zeitreise, die in einen alternativen Geschichtsstrang mündet, dessen Schlagzeilen viel erfreulichere als zu Beginn des Films sind.
Das Publikum kommt sichtlich auf seine Kosten. Einige der Besucherinnen und Besucher danken nach der Vorstellung ausdrücklich der Fairtrade-Steuerungsgruppe und der Stadt für die Möglichkeit, den Film im Kino zu sehen zu können, und das sogar kostenlos.
Info: Das Programm der „Fairen Woche“ in Walldorf: https://www.walldorf.de/aktuell/vom-flohmarkt-zum-kochkurs.
Text und Fotos: Stadt Walldorf